„Einmal kurz abheben, bitte“: Helden wider die Schwerkraft
Wir alle kennen das: Manche Tage fühlen sich an, als trüge man die Last der Welt auf seinen Schultern, weil einen etwas deprimiert, mit Sorge erfüllt oder traurig macht. Manchmal ist es auch einfach die graue Routine des Alltags, die uns den Zahn zieht und bewirkt, dass wir uns fühlen wie ein ausgewrungener Waschlappen: lustlos, schlapp und träge. Dann ist es höchste Zeit für eine kleine Aufmunterung – manchmal reicht dafür schon ein gutes Bild. Zum Beispiel das Foto eines Menschen, der uns zuzurufen scheint „Nimm’s leicht und heb mal kurz ab!“: Momentaufnahmen, in denen Menschen der Erdanziehung ein Schnippchen schlagen, indem sie fröhlich und unbekümmert in die Luft springen – Helden wider die Schwerkraft.
Uralt, aber aktueller denn je: der Wunsch nach Leichtigkeit
Fliegende und springende Menschen, auf einem Foto „eingefroren“ in einem Moment scheinbarer Schwerlosigkeit und Losgelöstheit von allem Irdischen, sind ein starker Blickfang. Denn solche Motive sprechen einen uralten Wunsch des Menschen an, nämlich den Traum vom Fliegen. Diese Bilder thematisieren aber auch ein anderes Bedürfnis, das wir alle von Zeit zu Zeit verspüren, der eine mehr, der andere weniger: einfach mal den ganzen Krempel liegenlassen, „Fünfe grade sein lassen“, nichts müssen, nichts wollen – und von allen Zwängen befreit übermütig den Moment genießen.
diese Bilder lassen dich abheben!
Auch dieser Wunsch ist vermutlich so alt wie die Menschheit, aber heute aktueller denn je: Tempo, Komplexität und Unübersichtlichkeit des modernen Lebens sind manchmal eine Bürde, die uns zu Boden drückt. Der unbekümmerte Luftikus, der auf solche Widrigkeiten pfeift und wild und frei wie ein Kind seine akrobatischen Tollheiten aufführt, hat deshalb das Zeug zum modernen (Foto)Helden: Er macht uns Mut, den schweren Rucksack der Alltagssorgen einfach mal abzuwerfen und uns unbeschwert dem Augenblick hinzugeben.
Gesucht: der Luftikus, den nichts am Boden hält
Solche „Überflieger“-Fotos bieten zahllose Variationsmöglichkeiten, denn die dynamische Wirkung eines fliegenden oder springenden Menschen auf den Betrachter lässt sich auf vielfältige Weise erzielen. Besonders wirkungsvoll funktioniert das dann, wenn gerade Linien im Hintergrund ein statisches Element in den Bildaufbau bringen, das einen starken Kontrast zur dynamischen Aktion des Models setzt.
Die nüchternen, starren und strengen Kulissen moderner Großstadtarchitektur eignen sich hierfür besonders gut: quicklebendiger Mensch vs. toter Beton. Zwar sind auch hier Motive aus dem sportlichen Umfeld denkbar, aber dann eher aus Sportarten, bei denen es weniger um Leistung als um puren Spaß an der Bewegung geht, also zum Beispiel Skateboarden oder Parkour.
Schließlich sollen solche Bilder nicht Zielstrebigkeit und sportlichen Ehrgeiz, sondern Unbekümmertheit und Fröhlichkeit signalisieren. Dazu kann man den fotografischen Augenschmaus gern mit einer Prise Humor würzen: Zum Beispiel, wenn dem Betrachter klar wird, dass hier jemand lediglich vom Abheben träumt – und die Superman-Pose vorsichtshalber erst mal auf dem Fahrradständer in einer tristen Asphaltwüste übt. Das weckt Sympathie mit dem Typen auf dem Bild, weil wir uns in ihm wiedererkennen: Er weiß nur zu gut, dass er nun halt mal kein Vogel ist und ihm niemals Flügel wachsen werden. Aber er pfeift drauf – und probiert’s trotzdem. Denn er will sie wieder spüren, diese Leichtigkeit des Seins.
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