„Performance Culture“: Digitale Erben des guten alten Workaholics

Die noch vor wenigen Jahren undenkbaren Innovationen durch Digitalisierung und weltweite Vernetzung haben in den meisten Branchen zur einer Arbeitsverdichtung geführt. Die daraus resultierende Möglichkeit, immer mehr Dinge in immer kürzerer Zeit zu erledigen, hat auch ein neues Leistungs- und Effizienzdenken hervorgebracht: Dieser Trend namens „Performance Culture“ steht für das Bestreben, sich und seine Tätigkeiten immer weiter zu optimieren und überall das Beste herauszuholen – beruflich wie privat.

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© UWE UMSTÄTTER/Westend61

Der Karrierist des 21. Jahrhunderts kann auf eine Vielzahl technischer Neuerungen des Digitalzeitalters zurückgreifen, die es ihm erleichtern, seine stets hochgesteckten Ziele zu erreichen. Smartphone, Tablet und Notebook sind zu Symbolen für Multitasking und IT-basierte Effizienz geworden. Diese Geräte sind aber mehr als berufliche „Werkzeuge“, denn sie prägen einen ganzen Lebensstil. Die „Multi Performer“, wie die Protagonisten der „Performance Culture“ genannt werden, nutzen auch privat gerne technische Innovationen. Man denke nur an kostspielige Unterhaltungselektronik oder „Smart-Home“-Anwendungen unterschiedlichster Art.

Ein bestimmender Trend der Leistungsgesellschaft

Das Streben nach Höchstleistungen verlangt nach der Messbarkeit der eigenen Bemühungen und Fortschritte. Was dem „Multi Performer“ im Beruf die steil nach oben weisende Bilanzkurve ist, das ist ihm im Privatleben ein stylishes technisches Gadget für alle möglichen Zwecke. Vor allem Selftrackinggeräte stehen für diesen Hang zur Selbstoptimierung, wie zum Beispiel Fitness-Apps, die die eigene körperliche Leistungsfähigkeit akribisch dokumentieren und beim Workout motivieren, mit dem sich der „Multi Performer“ für seinen aufreibenden Lebensstil fit hält.

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Die „Performance Culture“ ist ein wichtiger Makrotrend der modernen Leistungsgesellschaft. Seine Vertreter sind oft Firmengründer und Selbstständige, für die beruflicher Erfolg einen hohen Stellenwert in ihrem Leben einnimmt. Ihr Alltag ist eng getaktet, ihr voller Terminkalender lässt nur wenig Raum für Privates. Auch zuhause, im Zug oder im Flugzeug wird weitergearbeitet, Job und knapp bemessene Freizeit gehen oft ineinander über.

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Wettkampf als Lebensprinzip und Immer-vorne-dabei-sein-Wollen sind Grundzüge der „Performance Culture“. So wie sie immer mit allen technischen Neuerungen Schritt halten möchten, um auf der Überholspur mithalten zu können, bevorzugen die „Multi Performer“ in ihrer Freizeit stark wettkampforientierte Sportarten, exotische Reiseziele, erlesene Gaumenfreuden, teure Einrichtung, modische Garderobe und höherklassige Autos. Dieser luxuriöse Lebensstil dient nicht nur dem Genuss und fungiert als Belohnung für das überdurchschnittliche berufliche Engagement, er ist auch ein Mittel der Selbstdarstellung. Denn der „Multi Performer“ will zeigen, dass er es zu etwas gebracht hat.

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Clevere Lösungsansätze statt verbissener Anstrengungen

„Performance Culture“ ist eine der vielen Nebenströmungen des Megatrends „Individualisierung“. Und so sind Individualität und Selbstverwirklichung zentrale Werte im Leben der „Multi Performer“. Dieser Lebensstil steht damit in einer Reihe mit anderen Daseinsmodellen, doch hat er eine wesentlich materialistischere und egozentrischere Note als beispielsweise „Female Force“ oder „Millennial Parents“. Das Neben- und Miteinander von Lebensstilen, die manchmal auch nicht klar voneinander abgegrenzt sind, definiert einen anderen Makrotrend, den wir hier schon besprochen haben, nämlich den der „Lifestyle Diversity“.

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In dieser buntschillernden Vielfalt an Lebensentwürfen in den westlichen Ländern hat er also nach wie vor seinen festen Platz, der gute alte Workaholic, wenn auch in upgedateter Version – schließlich ermöglichen Leistung, Erfolgsstreben, ein hoher Organisationsgrad und Effizienz erst Wohlstandsicherung und Fortschritt moderner Industriegesellschaften. Die „Performance Culture“ hat aber auch Einfluss auf das Arbeitsklima in Unternehmen. An die Stelle des überholten Modells „Chef brüllt und alle springen“ tritt zunehmend ein neues Verständnis von Mitarbeiterführung.

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Es setzt auf erweiterte Spielräume für die Beschäftigten, in denen sie ihre Fähigkeiten entfalten und ihre Potenziale besser ausschöpfen können, um ihre Leistung zu steigern. Statt auf Druck und Zwang setzt man hier also auf Kreativität und manchmal auch eine spielerische Herangehensweise bei der Lösung von Aufgaben. Damit hat die „Performance Culture“ also auch zunächst unvermutete Berührungsflächen mit dem Trend „Playfulness“ – denn manchmal führen eben nicht verbissene Anstrengung, sondern eher clevere und smarte Ansätze zu Höchstleistungen.

Hubertus Stumpf

Hubertus Stumpf weiß als langjähriger Zeitungsredakteur, dass ein guter Text nur die halbe Miete ist, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen – genauso wichtig ist ein gutes Bild, das den Betrachter in den Text zieht. Der studierte Germanist ist ein Mann der schreibenden Zunft, beschäftigt er sich aber seit einiger Zeit auch verstärkt mit den Möglichkeiten der Digitalfotografie.